Die Wurzeln eines gutes Bieres kennenlernen, das kann schwieriger sein, als man es sich vorstellt. Unsere Reise nach Tettnang startet mit einer Vollsperrung der Autobahn und dem Tiefpunkt des Tages: Werden wir es überhaupt zum Hof der Familie Bentele schaffen?
Wie du siehst, haben wir es geschafft und aus einer sehr frustrierenden Autofahrt, wurde ein aufregender Tag bei der Hopfenernte in Tettnang. Wir werden herzlich von Familie Bentele aufgenommen und bekommen unzählige Tiefe Einblicke in die Pflanze, die Vorbereitung und die Ernte des Hopfen.
Was wir hier überhaupt tun? Wir wurden von Dinkelacker dazu eingeladen in dem neuen Bierblog einen Beitrag zu veröffentlichen und einen Tag bei der Hopfenernte live dabei zu sein.
Back to nature
Die Autotür unseres Sanwald-Boliden geht auf und ein nach Gras erinnernder Geruch steigt uns in die Nase. Hopfen zählt zur Familie der Hanfgewächse und das riecht man auch. Hier auf dem Hof hat jeder schon einmal versucht es zu rauchen, aber da wird einem nur „Kotz übel“.
Die Gespräche an diesem Tag sind herzhaft und ehrlich. Im Hintergrund hören wir bereits die Erntemaschinen als wir die ersten Fußschritte in die Hopfenfelder setzen.
Traditioneller Hopfenanbau
Für uns als Städter ist es ein ungewohnter Anblick. Betonpfähle tief im Boden verankert, gespannte Drahtseile und einzelne Drähte, an denen der Hopfen hinaufwachsen kann. Bereits im Winter werden diese Vorbereitungen getroffen, damit im Sommer die Triebe um das gespannte Seil wachsen können.
Hopfen ist übrigens eine mehrjährige Pflanze. Sie wird bei der Ernte unten abgeschnitten und fängt im nächsten Jahr an neu zu sprießen. Es gibt sogar einzelne Pflanzen, die seit Jahrzehnten gute Erträge erzielen und es dauert 1-2 Jahre, bis ein starker Hopfenstrang entstehen kann.
Ernte gut, alles gut
Man vergisst schnell, was für ein Risiko diese Bauern eigentlich auf sich nehmen. Familie Bentele hat ihre Anlage stark modernisiert und viel in Technik investiert, um eine hohe Qualität zu halten und die Produktivität zu erhöhen.
Es wird Jahre dauern, bis diese Investitionen wieder reingeholt sind, aber die Bauern sind zuversichtlich. Dennoch kann eine Dürre oder Gesetzesänderungen das Vorhaben gefährden. Zum Glück haben die Bauern Bentele bereits Verträge zur Abnahme der Ernte für die nächsten 10 Jahre abgeschlossen – so lässt sich gut planen und leben.
Fun Fact: Die Pflanzenwelt kann ziemlich sexistisch sein. Ausschließlich die weiblichen Pflanzen sind nützlich bei der Hopfenproduktion. Eine einzelne männliche Pflanze kann ein gesamtes Feld unbrauchbar machen. Daher ist wilder Hopfen ein ungern gesehener Gast.
Die Dolden und das Alpha
Bei der Ernte wird der Draht an denen die Dolden hängen von einer Maschine abgeschnitten und eingezogen. Dabei reißen die Stricke und reihen sich hinten auf dem Anhänger auf. Es ist wirklich ein belebendes Gefühl hinten auf dem Traktor zu stehen und beim Einfahren der Ernte dabei zu sein.
Das Blattwerk wird später in einer Maschine von den Dolden abgetrennt und zerhäckselt. Die Dolden selbst fahren über ein langes Laufband hoch in ein Silo und werden danach bei erhöhter Temperatur getrocknet. Früher mussten mit vielen Personen die Dolden von Hand abgezupft werden, heute läuft das vollautomatisiert.
Neben der ganzen Romantik um die Dolden, darf man nicht vergessen, was am Ende des Tages zählt: Das Alpha. So nennt man den Wirkstoffgrad im Hopfen, den man benötigt um zum Beispiel die Bitterkeit in einem Bier zu erzeugen und anhand dessen wird auch der Preis pro Zentner ausbezahlt.
Flavored Hopfen und Craftbeer
Sie nennen sich Hercules, Polaris oder Mandarin – geht es nach deren Namen, könnte Hopfen auch Krieger im Olymp gewesen sein. Es ist schon beeindruckend, wenn Elias, der älteste Sohn davon erzählt, wie hier 38 Hektar angebaut werden und pro Hektar 3900 Pflanzen ihren Platz finden.
Auch der Craftbeer Hype ist nicht an den Tettnanger Farmern vorbeigegangen. Es gibt sehr seltene Sorten, die kleine Brauereien sich wünschen, um ganz besondere Biere zu kreieren. Der Bodensee ist dafür die absolut geeignete Gegend, denn hier gibt es einen hohen Niederschlag und milde Winter aufgrund des riesigen Wärmespeichers aus Wasser.
Did you know? Es gibt übrigens eine eigene Sorte namens Tettnanger Hopfen, die direkt aus dieser Region stammt. Es gibt lokale Brauereien, die auf diesen Hopfen schwören und ausschließlich damit ihre Biere kreieren.
Nachvollziehbare Qualität
Auch wenn wir an dem Tag uns mehrfach in einen Berg Hopfen haben fallen lassen. Hier herrscht absolute Qualitätskontrolle. Die gesäuberten und getrockneten Dolden werden in große Säcke verpackt und von jedem Ernteabschnitt Proben entnommen. Dabei wird die Sorte und ein Siegel aufgebracht, das im Anschluss an ein Labor zur Qualitätssicherung geschickt wird.
Ein unabhängiges Labor prüft die Proben auf Geruch, Farbe, Fremdbestandteile, Feuchtigkeit und den Alpha-Gehalt. Übrigens werden bei der Bierproduktion unterschiedliche Hopfenarten gemischt, um einen einzigartigen Geschmack zu generieren.
Tipp: Versuche nicht mit einer Hopfenpflanze zu kämpfen, sie gewinnt. Die Ranken der Pflanze haben kleine Widerhaken, die sich ganz sachte und unbemerkt in deine Haut schneiden. Zwei Stunden später juckt deine Haut und zwei Tage später siehst du leicht suizidgefährdet aus. Wir sprechen aus Erfahrung.
Family Business
Aber was uns am meisten im Gedächtnis geblieben ist, neben dem saftig grünen Hopfen, ist das familiäre Gefühl und die Leidenschaft, mit der hier gearbeitet wird. Jeder packt hier mit an und weiß genau, wie Wetter, Boden, Licht, Regen und die Maschinen ineinandergreifen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Im Jahr 1848 hat der erste Bentele den Hof betreten.
Es wurde nicht schon immer Hopfen angebaut auf dem Hof, es ist jedoch bereits seit drei Generationen eine wahre Tradition zur Doldenernte herauszufahren und das Ergebnis der monatelangen Schufterei einzusammeln. Die schönsten Wochen im Jahr.
Wir hatten eine extrem gute Zeit und können so einen Tag auf dem Land einfach nur weiterempfehlen. Eine kleine Erinnerung haben wir uns dann auch noch mitgenommen: Saphir 420.
Dinkelacker